Um gleich allen Stänkerern, Zweiflern, Besserwissern, Schwurblern sowie Facebook/Google-Uni-Absolventen und Internetgelehrten den Wind aus den Segeln zu nehmen: NEIN!
In diesem Beitrag geht es nicht um die Bewerbung eines Allheilmittels gegen die Pandemie! Es geht auch nicht darum, die Leser dieses Blogs vom Gurgeln zu überzeugen. Auch geht es nicht darum, unter dem Vorwand, eine einfache und eventuell ignorierte Lösung für ein Problem gefunden zu haben, die Arbeit „der Politik“ der letzten 17 Monate an den Pranger zu stellen!
Vielmehr möchte ich die Leser ermutigen. Ich möchte sie ermutigen, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, das an mir bis vor etwas mehr als einem Monat vollkommen vorbeigegangen ist: die Nutzung von medizinischen Mundwassern und deren möglicherweise positive Auswirkung im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
Wir alle – ich behaupte das einfach einmal – wünschen uns doch, dass wir so schnell wie möglich wieder zu einer Form von Normalität zurückkehren können. Dass vermutlich nichts mehr so sein wird wie vor Anfang 2020, dürfte sicher sein.
Und ich glaube, dass dieser Beitrag zu einem Ritt auf der Rasierklinge werden kann, da ich mir sicher bin, dass gerade diejenigen, die für jede komplexe Frage eine simple Antwort haben und diese meistens am lautesten verbreiten, Beiträge wie diese nicht vollständig lesen oder nicht mitdenken oder einfach deren Anliegen nicht begreifen – aber kommentieren müssen.
Daher freue ich mich umso mehr, wenn Ihr Euch die Zeit nehmt, meinen Gedanken zu folgen.
Ein Beitrag auf der Website von Antenne Thüringen
Damit hat alles begonnen. Durch einen Zufall kam ich auf die Seite von Antenne Thüringen. Damit die folgenden Ausführungen nachvollzogen werden können, ist es notwendig, sich mit den Inhalten des Beitrags dort vertraut zu machen.
Die Ausführungen dort habe ich gleichermaßen interessiert und skeptisch gelesen.
Die Informationen, die der Hygienemediziner Zastrow vermittelt, scheinen unmittelbar einleuchtend und nachvollziehbar.
Der Beitrag lässt es logisch erscheinen, wenn jemand – hier mit Fachexpertise – sagt, dass das Gurgeln mit Betaisodona oder Listerine Viren abtöten und damit die Gefahr einer Ansteckung anderer (wenn man sich selbst angesteckt hat) verringern kann.
Auch scheint es logisch, dass die Gefahr einer eigenen Ansteckung verringert werden kann, weil der Wirkstoff Viren im Rachen abtötet, die man eingeatmet hat.
Mit einiger weiterer Logik und gesundem Menschenverstand lässt sich die These nachvollziehen: Wenn alle regelmäßig gurgeln, geht über die Zeit die Zahl der Ansteckungen zurück.
Das wäre aber möglicherweise zu einfach gedacht.
Auch ohne medizinischen Sachverstand kommt einem schnell der Gedanke an die Notwendigkeit zu berücksichtigen, dass Infizierte ständig neue Viren produzieren, die ihren Weg in den Rachenraum finden. Das wiederum bedeutet, dass man wissen muss, wie lange „einmal Gurgeln für 30sek“ vorhält oder ob Essen und Trinken einen „Schutzfilm“ beeinträchtigen können usw.
Damit gab es bereits einige offene Fragen, die für mich noch nicht zufriedenstellend geklärt waren.
Warum empfiehlt die Politik nicht die Verwendung medizinischer Mundwasser?
Stutzig machte mich zudem, dass ich vom Thema, wenn es so wie dargestellt richtig sein sollte, bisher noch nichts gelesen oder gehört hatte – oder da Thema noch nicht den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Geschweige denn, dass aus der Politik kein deutlicher Hinweis kommt, das Gurgeln in seine AHAL-Maßnahmen aufzunehmen.
Wobei ich hier ganz deutlich sagen muss, dass ich nur aus meiner persönlichen Wahrnehmung berichten kann. Wie ich später lernen konnte, kamen aus der Politik bereits mehrere Vorstöße, die Verwendung von medizinischen Mundwässern und auch Nasensprays in die persönlichen Hygienemaßnahmen zu integrieren.
In dem Interview, das Antenne Thüringen geführt hat, möchte Bundesgesundheitsminister Spahn lt. Zastrow Studien sehen, die die Wirksamkeit des Gurgelns belegen. Die gebe es wohl nicht, aber die Erfahrung von Hygienemedizinern soll lt. Zastrow für die Wirksamkeit sprechen.
Außerdem wird die Richtigkeit der Aussagen Zastrows in dem Beitrag durch das vehemente Widersprechen eines anderen Mediziners in Frage gestellt.
Als medizinischer Laie kann man nur schwer nachzuvollziehen, ob die Aussagen Zastrows stimmen.
Ich kann aber gut nachvollziehen, wenn sich jemand fragt: wenn das Gurgeln nicht schadet und diese Hygienemaßnahme vielleicht unabhängig von Corona einen Mehrwert für die Gesundheit bietet, warum sollte ich eigentlich nicht gurgeln?
Ein Standpunkt aus der Zahnmedizin
Mir ließ der Gedanke an eine einfach umzusetzende Maßnahme, die bei einer weit verbreitenden Umsetzung möglicherweise das Ansteckungsrisiko mit Corona verringern kann, keine Ruhe. Vor allem, wenn die Verwendung von medizinischen Mundwassern nicht schädlich ist und hilft, die Mundhygiene zu verbessern. Wäre das nicht eine Win-Win-Situation?
Ich erinnerte mich an ein neuartiges Prozedere meines Zahnarztes, der mich im letzten November vor der Routineuntersuchung mit einem Mundwasser den Mund ausspülen ließ.
Um mehr darüber zu erfahren, kontaktierte daraufhin – der Einfachheit halber – meinen Schulkameraden Dr. Gerrit Meyer, der als Zahnarzt in Simmern praktiziert. Ihn fragte ich, was es mit dem Spülen auf sich habe und ob dies in einem direkten Zusammenhang mit Corona stehe.
Er war – so war mein Eindruck – gleich Feuer und Flamme für meine Anfrage. Schon kurz nach meiner Anfrage antwortete er, dass es Studien gebe, die die Wirksamkeit von Mundspülungen belegen.
Viele Zahnarztpraxen wenden schon lange medizinische Mundspüllösungen wie CHX (Chlorhexidingluconat), Listerine o. ä. an und lassen Patienten damit vor jeder Behandlung ausspülen.
Das scheint nicht wirkungslos zu bleiben. Denn Zahnarztpraxen gehören wohl nicht nicht zu den Pandemietreibern, obwohl dort den ganzen Tag Aerosole verursacht werden. Nachweislich gebe es nur eine extrem geringe Anzahl von positiven Fällen, die aber alle aus dem häuslichen Umfeld stammten.
Damit wäre das Prozedere bei meinem Zahnarzt erklärt.
Denn nachweislich sei es so, dass die Viren durch die Verwendung medizinischer Mundwasser statistisch signifikant reduziert werden und so auch eine Übertragung auf Andere reduziert bzw. wenn nicht sogar verhindert werden könne.
Interessant fand ich, dass laut Aussage Gerrits Zahnärztekammern schon mehrfach die Politik darauf hingewiesen haben und auch bei den Zahnärzten der Eindruck entstanden sei, dass das Thema auch nach einem Jahr einfach viel zu wenig im Bewusstsein der Bevölkerung sei.
Denn an den anderen Maßnahmen (AHAL) und der minimalen Grippewelle dieser Saison sei zu sehen, dass einfachste Maßnahmen durchaus extrem erfolgreich sein können.
Gleichzeitig werde aber dadurch genauso deutlich, wieviel ansteckender das Coronavirus im Vergleich zum Influenza-Virus ist.
Seine persönliche Meinung sei, dass jeder grundsätzlich Mundspüllösungen verwenden sollte (am besten mit ätherischen Ölen), denn durch die Öle werden Bekterien/Viren gebunden und können so ausgespuckt bzw. deaktiviert werden. Diese Wirkung sei bereits seit Jahrzehnten bekannt.
Natürlich ist diese eine Aussage nicht repräsentativ – aber ich finde, dass in den Aussagen viel Nachvollziehbares enthalten ist.
Ein Standpunkt aus der Politik
Nun stellte sich mir erneut die Frage, weshalb mir bisher Aussagen aus der Politik zu diesem Thema nicht bekannt waren. Lag es an mir und meinem Umgang mit Nachrichten auf allen Kanälen oder waren Lokal-, Kommunal- und Landespolitiker bisher blass im Umgang mit der Verwendung von Mundwassern?
Um da ein wenig Klarheit zu bekommen, habe ich mich vertrauensvoll an einen Lokalpolitiker, an ein Mitglied des Niedersächsischen Landtags und an Prof. Dr. Karl Lauterbach gewendet.
Eine Rückmeldung erhielt ich nur von meinem Freund und langjährigen Wegbegleiter Oliver Lottke, der als Mitglied des Niedersächsischen Landtags immer eine Hand am politischen Puls Niedersachsens hält.
Dort verfolgt man die Verwendung von medizinischen Mundwassern als mögliche Ergänzung zu den AHAL-Regeln bereits seit einiger Zeit. Ähnlich verhält es sich mit der Verwendung von bestimmten Nasensprays, die z.B. Prof. Dr. Karl Lauterbach als möglich wirksam beschreibt.
Das Problem bei diesen beiden Präparaten sehe man im Mangel an evaluierten Studien über deren Wirksamkeit. Natürlich sehe man auch die Schwierigkeit, diese Studien in der aktuellen Situation schnell erhalten zu können.
Es seien viele Fragen ungeklärt, wie beispielsweise die nach der Dauer der Wirkung des Gurgelns oder die, wie regelmäßiges Gurgeln die AHAL ergänzen könne.
Allerdings werde er das Thema im Gesundheitsministerium platzieren und erfragen, wie dort die Einschätzung zum Gurgeln ist.
Wir waren uns einig, dass es fatal wäre, wenn sich die Verwendung von medizinischen Mundwassern als einfaches wirksames Mittel zur Bekämpfung des Virus herausstellen würde und man es nicht ausreichend verfolgt hätte.
Alles Quarks? Die Science Cops!
Dass der Beitrag von Antenne Thüringen nicht ungehört im Orkus des Internet verhallt, zeigt die journalistische Aufarbeitung des Zastrowschen Impulses durch den WDR mittels des Podcasts der Science Cops von Quarks.
Eigentlich wollte ich meine Ausgangsfrage und die entstandene Diskussion mit dem Mediziner und dem Politiker als Grundlage für eine neue Podcastepisode auf musicampus nehmen, bei dem wir unsere Fragen, Meinungen und Standpunkte gemeinsam erörtern.
Oliver Lottke sandte mir im Zuge der Vorbereitungen für den Podcast den Link zum genannten hervorragend aufbereiteten Podcast der Science Cops von QUARKS zu.
Zwar hat sich damit leider unser virtuelles Wiedersehen erübrigt, aber glücklicherweise haben die beiden Journalisten der Science Cops die Inhalte aus dem Antenne Thüringen Beitrag auf Herz und Nieren überprüft und dabei auch nicht ausgelassen, die Werthaltigkeit der Aussagen Zastrows zu überprüfen und diese in den Zusammenhang früherer Aussagen gestellt.
Der Podcast ist mit 46min sicherlich nicht geeignet, um ihn nebenbei laufen zu lassen. Zu wichtig sind m.E. die darin enthaltenen Informationen. Aber für mich wurde deutlich, dass sich die intensive Auseinandersetzung mit der Ausgangsfragestellung gelohnt hat.
Ich habe mich entschieden, Mundwasser in mein tägliches Zahnputzritual zu integrieren.
Wie geht es weiter?
Das weiß wohl niemand. Momentan sinken die Inzidenzwerte und man möchte meinen, ganz Deutschland wähnt sich aus der Umklammerung des Virus befreit – und verhält sich häufig auch so. Ob dies trügerisch ist, wird sich wohl spätestens im Herbst zeigen.
Der Sommer 21 unterscheidet sich vom Sommer 20 jedoch darin, dass geimpft wird und die Impfgeschwindigkeit zunimmt. Das lässt hoffen, dass zumindest die Krankheitsverläufe und Todesfälle in naher Zukunft weniger werden.
Inwieweit die persönliche Mundhygiene individuell sowie in der Masse eine Wirkung erzielen kann, hängt bekanntlich von mehreren Faktoren ab.
Aber ich finde, die Möglichkeit der Verwendung medizinischer Mundwasser und Nasensprays müsste populärer sein. Aber, die Frage sei erlaubt, wem nützt eine Empfehlung von Politikern, wenn niemand darüber berichtet?
Mein Dank gilt Dr. Gerrit Meyer für seine zahnmedizinische Einschätzung und Oliver Lottke, MdB für den konstruktiven Austausch.
Wer mehr über die beiden erfahren möchte, schaue hier:
Dr. Gerrit Meyer
Oliver Lottke
Links:
Antenne Thüringen – Nasenspray, Gurgeln & Co. – Vorbeugung gegen Corona?
Science Cops – Hilft Gurgeln gegen Corona? Der Fall Zastrow & Antenne Thüringen