Jetzt komme ich zum wohl schönsten und einprägsamsten Kapitel des Studioaufenthalts. Dieses war so klasse, dass ich den gesamten Nachmittag das Fotografieren vergessen habe. Nicht, dass mein gutes altes iPhone 5 die schönsten Bilder macht, aber ein Bilddokument hätte diesen Beitrag vielleicht noch anschaulicher machen können.
Wie ich bereits berichtete, haben sich durch den Einsatz Axels eine Musikerin (Posaune) und zwei Musiker (Trompete und Saxophon) bereit erklärt, ihren Beitrag zu den drei Songs beizusteuern.
Es war der Sonntag, an dem ich erwartungsfroh zunächst beim Bäcker meines Vertrauens aufschlug, um für das leibliche Wohl der Musiker zu sorgen – dieses Mal, zumindest glaube ich das, waren die Brötchen wohl einen Tag vorher frisch gewesen. Zumindest waren sie noch genießbar, wie sich später herausstellen sollte. Weiter ging es die mir nun schon vertraute Strecke bis zum Studio Nord Bremen, wo ich an diesem Tag von Olli mit einer Hiobsbotschaft begrüßt wurde: „Kaffee ist alle!“
Normalerweise ist ein kaffeeloser Tag ein verlorener Tag, aber in Anbetracht dessen, was an dem Tag noch zu erledigen war, mussten wir da irgendwie durch. Glück im Unglück (und eigentlich war das Glück kein Glück, wie in der nächsten Folge zu lesen sein wird) war, dass ich so erkältet gewesen bin, dass ich mir von zuhause eine Thermoskanne voll mit Ingwertee mitgebracht habe (die Sorte von Ingwertee, bei der man eine halbe Knolle klein schneidet und mit heißem Wasser übergießt – scharf).
Nach einem kurzen Frühstück und ersten Gesangsaufnahmen kündigte Olli gegen Mittag an, dass er die Mikros für die Bläser aufstellen müsse. Gesagt, getan und schon kurze Zeit später erschienen Timm Pyttlik gefolgt von Oliver Helmert und Joanna Jablonski.
Nach einer knapp gehaltenen Kennenlernphase holte ich die von Axel vorbereiteten Noten und übergab sie Timm und Oliver. Aber irgendwas war wohl nicht richtig. Schon kurze Zeit später sah ich die drei von der Bläsersektion intensiv am Arrangement arbeiten und deren Äußerungen deuteten darauf hin, dass irgendetwas nicht richtig hinkam.
Auf meine Nachfrage hieß es aber, dass alles ok sein und man sich nur noch über ein paar Kleinigkeiten einigen müsse. Ich wurde sogar noch in eine Entscheidungsfindung eingebunden, konnte aber nicht wirklich helfen: ich sollte blind entscheiden, was besser klingt – wenn zwei gleiche Töne in unterschiedlicher Oktave einmal von der Posaune tief und vom Saxophon hoch oder der tiefere Ton vom Saxophon und der oktavierte von der Posaune gespielt werden, während die Trompete denselben Ton spielte.
Unglaublich aber wahr: ich habe keine Unterschied gehört – es klang einfach beides gut. Gleich. Gut.
Oliver Helmert, der die musikalische Führung übernommen hatte, war sehr diplomatisch und bedankte sich artig für mein nicht zielführendes Statement. Vermutlich hat er nicht nur innerlich mit den Augen gerollt als ich den Aufnahmesaal verließ. Zu recht.
Danach ging es dann wieder sehr schnell: jeder Song wurde zwei- bis dreimal trocken durchgespielt, bis alles saß und dann wurde jeder Song zwei- bis dreimal aufgenommen.
Das war die Pflicht, der dann noch eine Kür folgte: meine Idee war es, zu einem Song ein Saxophonsolo aufzunehmen. So ein echtes Rock’n Roll Solo mit richtig dreckiger Tröte – sorry, Saxophonisten, sollte ich Euch zu nahe getreten sein. Aber genau so sollte es sein.
Olli (Sroweleit) baute Oli (ver Helmert) eine Recording Booth aus Schalldämmelementen und Oli verschwand darin, um etwas zu spielen, was ich in meinem Leben bisher noch nicht gehört habe. Ein unglaubliches Saxophonsolo mit einer so unglaublich dreckigen Tröte, dass man meinte, das Instrument müsse kurz vor dem Zerspringen sein.
Dieses Gefühl trog nicht, denn nach der dritten und finalen Aufnahme erschien ein Oli aus seiner improvisierten Aufnahmekammer, der völlig atemlos und puterrot im Gesicht war. Ganz zu schweigen vom Schweiß, der ihm in Strömen übers Gesicht lief. Das war ganz großes Kino! Mit ganzem Körpereinsatz haute der junge Mann ein Solo raus, wie es die Welt noch nicht gehört hat. Finde ich.
Erwähnenswert über diesen Tag finde ich außerdem, dass mir ein ganz ungewohnte Rolle zuteil wurde: die eines Produzenten.
War ich es bisher gewohnt, dass die Musiker spielten, was sie spielten – und das machten sie ausnahmslos richtig gut -, gab es immer wieder Rückfragen der Bläser, ob an dieser oder jener Stelle dies oder das gespielt werden sollte. Und meine Anmerkungen wurden sofort 1:1 umgesetzt. Abgesehen davon spielten die Drei sowieso schon das, was ich in der Vorproduktion überlegt hatte. Es ging lediglich um den Feinschliff.
Die Zusammenarbeit im Studio mit den dazu noch total entspannten und freundlichen Musikern hat mir richtig Spaß gemacht. Mein Lampenfieber im Vorfeld war wie weggeblasen (welch eine Metapher).
Foto: zur Verfügung gestellt von Oliver Sroweleit
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