Beim alltäglichen Stöbern im Internet besuchte ich unlängst eine Facebook-Gruppe, die eigentlich als Thema Homerecording hat. Tatsächlich scheint es sich aber um ein Forum zu handeln, in dem sich gefühlt 90% der Mitglieder gezwungen fühlen, Fotos ihres Homestudios zu posten, um sich gegenseitig zu feiern, zu dissen oder in endlosen Diskussionen die Vor- und Nachteile ihres Equipments dem virtuellen Gegenüber verständlich zu machen. Weil es sich bei den Mitgliedern dieser Foren offensichtlich ausschließlich um Experten handelt, sind die die Diskussionsstränge lang und ermüdend.
Nur vergleichsweise selten traut sich jemand, seine Kunst online zu stellen und, wie ich finde, den eigentlichen Zweck solcher Gruppen zu bedienen: zu zeigen, mit welchen Mitteln man was wie erreichen kann.
Ich brauche nicht zu erwähnen, dass die Reaktionen auf die dargebotene Kunst oft oberflächlich bleiben und schnell das Topic auf Equipment gelenkt wird, das vermeintlich entweder gar nicht oder nur falsch eingesetzt wurde. Sobald das geschehen ist, finden sich sofort viele Mitglieder, um sofort etwas Sinnloses oder vermeintlich Sinnvolles zum Equipment oder dessen Einsatz beizusteuern.
Glücklicherweise gibt es aber Künstler, die bereit sind, ihre Werke zur Diskussion zu stellen und auch billigend in Kauf nehmen, dass ihre Werke nur spärlich oder gar nicht kommentiert werden.
Das Hamburger Studioprojekt theCatherines war so mutig, einige seiner Songs online zu stellen – und ich hatte das Glück, darüber zu stolpern.
Eher neugierig, weil ich das Cover zum aktuellsten Song von theCatherines „How come you think everybody likes you?“ interessant fand, hörte ich mir das Stück an und war überrascht.
Völlig unvermittelt und von mir nicht erwartet, eröffnete sich mir ein Song, dessen Struktur und Arrangement an eine Mischung aus den Byrds und Silver Sun erinnerte, aber dabei völlig eigenständig ist. Eine Twang Gitarre, wie sie Roger McGuinn nicht anders gespielt hätte vermischt sich mit einem Harmoniegesang, der mir vom Stil genauso gefällt wie der von James Broad. Gespickt mit überraschenden Harmonien ergibt das Ganze einen sympathischen Independent Twang Song.
Neugierig geworden hörte ich mir das gesamte Werk von theCatherines an und kann nur sagen: Wow! Wie sagte Quincy Jones seinerzeit sinngemäß „die drei wichtigsten Dinge bei einer Musikproduktion sind der Song, der Song und der Song“.
Stellt sich die Frage: wer sind theCatherines eigentlich?
Das Studioprojekt theCatherines kommt aus Hamburg und Heiko Schneider, der bereits seit den frühen 80ern in Bands musiziert, spielt alle Instrumente, wie Gitarre, Bass, Keyboards, Schlagzeug selbst. Außerdem singt er und hat mit Sandra Ost bei theCatherines seit Anfang des Jahres 2018 eine Gesangsverstärkung.
Heiko, der theCatherines aus der Taufe gehoben hat, wurde zunächst durch Punk und New Wave Bands wie Ramones, The Jam oder Elvis Costello beeinflusst. Später kamen Komponisten wie Todd Rundgren, Lennon/McCartney, Burt Bacharach, Jim Webb dazu. So erklärt sich, dass sich theCatherines sowohl auf Sixties-Pop als auch auf 80er/90er-Jingle-Jangle-Twee-Fuzzpop beziehen.
Weil mich interessiert, wie theCatherines die Songs produzieren, habe ich nachgefragt und eine ausführliche Antwort erhalten, die ich nicht vorenthalten möchte:
Als erstes steht immer der möglichst lange und irgenwie kauzige Songtitel. Darum, damit schreibe ich den Refrain, die Hookline. Dann überlege ich Strophentext und Melodie. Mit diesem Gerüst gehe ich quasi in eine Jamsession mit mir selbst und spiele möglichst in einer Sitzung dutzende von verschiedenen Gitarrenspuren ein, aus denen sich nach und nach so etwas wie ein Arrangement ergibt und mit Bass und Schlagzeug eingezäunt wird. Wenn das steht, kommen ggf. weitere Instrumente dazu (Streicher, Bläser, Orgel etc.) Am Ende werden die Gesangspuren von Sandra und mir gemacht.
Ich nehme auf über Alesis iO4-Interface mit Logic Pro X auf MacBookPro. Ich habe einen Haufen E-Gitarren (Fender, Gretsch) und Akkustik-Gitarren (Gibson, Guild), einen E-Bass und ein Keyboard für die Sampler-Sounds in LogicPro. Mix und Mastering mache ich auch selbst in Logic Pro X mit ein paar dazu geholten Plugins. Das ist alles sehr lofi und basic, im Grunde so, wie ich früher erst mit 4-Track-Cassettenrekorder und später dann mit 8-Spur-Mini-Disc aufgenommen habe. Wobei ich jetzt endlich die Möglichkeit/den Platz habe, auch mal ein Dutzend Gitarrenspuren gleichzeitig spielen zu lassen.
Und dass theCatherines mit ihrem Reduce to the max-Ansatz erfolgreich sind, zeigt die Resonanz über den – leider einzigen – Webauftritt auf Bandcamp: diese und andere ähnliche Plattformen ermöglichen eine internationale Verbreitung. Die theCatherines-Songs erreichen tatsächlich die ganze Welt. So gab es bereits eine Cassetten-Veröffentlichung auf dem spanischen Label Mondo Canapé und Konzert- und Veröffentlichungs-Anfragen aus Mexiko und den USA.
Außerdem erschien gerade der Sampler „Reverse Play: C86 re ( dis ) covered“, auf dem theCatherines „Emma’s House“ von The Field Mice covern. Weiterhin produzieren theCatherines momentan weitere Singles für Bandcamp. Ein mexikanisches Label möchte ein Album auf CD veröffentlichen. Allerdings wollen theCatherines erst noch mehr Songs schreiben, so dass mit der Veröffentlichung nicht vor 2019 zu rechnen ist.
Allerdings könnte es sein, dass es eine Split-7inch-Single mit einer anderen deutschen Indieband gibt. Der nächste Schritt wäre dann ein Vinylalbum. Voraussetzung dafür wäre aber, dass theCatherines ihren Bekannheitsgrad noch erhöhen.
Auf dem besten Weg dahin sind sie. Kürzlich gab es eine Vorstellung von theCatherines mit anschließendem Telefoninterview bei near perfect pitch. Ab ca. 2:07:35 seid Ihr live dabei.
Foto: mit freundlicher Genehmigung von Heiko Schneider.
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