Ruhig war es um Bernd Rinser geworden, der mit seinem Tom Waits ähnlichen Timbre ein ganz starker Vertreter des RootsRock ist und tatsächlich aus Deutschland kommt.
Nach seinen „Alben Peace of Mind“ (2007), „Southern Swamp Impressions/Struck By Love“ (2008) und meinem bis dato Favoriten „Got You“ (2010) gab es kein neues Album mehr aus Marktheidenfeld zu hören.
Bernd Rinser, der den musicampus Lesern kein Unbekannter sein dürfte, bezeichnet seine Musik als RootsRock. Dieser Stil ist dem weiten Feld des Americana zuzuordnen und steht in einer engen Beziehung zu Folk, Blues, Country und Soul. Eine Reduktion seiner Kunst auf die Bezeichnung Bluesmusiker ist damit nicht korrekt, weil das dem weiten Spektrum seiner Musik bei weitem nicht gerecht würde.
Um so erfreuter war ich, als ich Post von FinestNoise-Promotion erhielt. Angekündigt wurde ein Zyklus neuer Alben von niemand geringerem als Bernd Rinser.
Am 31.08.2018 ist es soweit: „Evil, Wild & Blue“, „Street Dog Blues“ und „Split Pea Shell“ sind die ersten drei Alben eines fünf Alben umfassenden Werks, die ab Freitag erhältlich sind. Die noch ausstehenden beiden Alben „Many Roads To Travel“ und „Love Divine“ folgen 2019/2020.
Bernd nimmt uns wieder mit auf eine musikalische Reise, die seine Extraklasse und die seiner Mitstreiter beweist. Überraschende Arrangements mit Akkordeon, Geige und Blasinstrumenten begleiten Bernds einzigartigen Gesang und seine charakteristische Bottleneckgitarre, die uns durch das gesamte Werk führen. Beim Hören der Alben fühlt man sich unwillkürlich genau so in die Schwüle der Sümpfe Louisianas oder Floridas versetzt wie in die Gluthitze der Mojave Wüste.
Auch mit Kritik hält sich Bernd nicht zurück und hält u.a. im Titel „Famous assholes“ den deutschen Dummbeuteln, die gerade einmal mehr von sich Reden machen, eisenhart den Spiegel vor – wahrscheinlich wohlwissend, dass diese das in ihrer Beschränktheit vermutlich nicht einmal verstehen würden. Einmal sprachlich, weil sie ausländisch lernen müssten (der Text wird in englischer Sprache gesungen) und was den Inhalt betrifft, wage ich zu bezweifeln, dass solche clever verpackten Aussagen in einer Gehirnzelle verarbeitet werden können.
Gefreut habe ich mich, dass Bernd anlässlich der Veröffentlichung einige Fragen beantwortet hat. Freut Euch auf interessante Einblicke zur vorliegenden Produktion!
musicampus: Warum gab eine so lange Pause?
Bernd Rinser: Ja, die Pause war in der Tat lang, da ich bis Ende 2012 genügend mit meiner damaligen Band zu tun hatte und die ich zu dem Zeitpunkt letztendlich aufgelöst habe. So nahm ich erst in 2013 die Planung für die schon in einem Interview anlässlich eines Konzertes am 20.10.2011 bei Kanal 21 in Bielefeld angekündigten zwei neuen Alben wieder auf.
Schon im Verlauf der Proben mit einem zweiten Gitarristen sowie einem Bassisten zeigte sich, dass für die Länge aller geplanten Songs zwei LPs nicht ausreichen würden. Es kamen dann noch ein Saxophonist und ein Trompeter hinzu – und letztendlich summierten sich die Spielzeiten auf viereinhalb LP-Seiten.
So entstand die Idee eines Album-Zyklus, bei dem ich einen Gedanken, mit dem ich schon seit längerem gespielt hatte, verwirklichen konnte: Ich wollte einige meiner schon veröffentlichten Songs noch einmal neu einspielen, weil sie sich durch neue Textzeilen oder die musikalische Interpretation im Laufe der Zeit verändert hatten. So wurde zum Beispiel aus der ursprünglichen Fassung des Folksongs ‚Hanging On Your Hook‘ ein Blues.
Ein Songtext ist für mich immer eine Geschichte. Und Geschichten kann man so oder so erzählen. Deshalb werden die Songs ‚Evil, Wild & Blue‘, ‚The Chapel‘, ‚To Learn The Ways of Love‘ und ‚Walking The Streets at Night‘ in ganz unterschiedlichen Versionen zu hören sein. Zum einen ganz reduziert und zum anderen mit mehr oder weniger großer Bandbesetzung. Es kommt eben ganz darauf an, mit welcher Bandbesetzung man auf Tour gehen kann. Letztendlich muss aber jeder Song auch nur mit einer Gitarre funktionieren, denn ansonsten ist es eben kein guter Song!
Meine Musik bezeichne ich als RootsRock. Die Grundlage für meine Kompositionen sind Folk Songs und Blues und die Musik der wilden 68-er Jahre, auf die sich zwar irgendwie alle beziehen, aber zumindest in meinen Ohren eine derartige Beliebigkeit Einzug gehalten hat, dass ich mir die Frage nach den Wurzeln gestellt habe. Die Schnelllebigkeit und die heutigen Strukturen des Musikgeschäfts haben ihr übriges dazu beigetragen, dass ich mich persönlich frage, was von dem Aufbruch – musikalisch und gesellschaftlich – heute noch übrig ist.
musicampus: Wie kommt es, dass Du gleich drei Alben auf einmal produziert hast?
Bernd Rinser: Wären die ersten drei Alben des Zyklus schrittweise veröffentlicht worden, wären aus meiner Sicht die Zusammengehörigkeit und der Aufbau des Zyklus nicht so deutlich zum Tragen gekommen. Für mich stellen die alten Songs der ‚einfachen Leute‘ – egal ob weiße Einwanderer oder die zwangsweise eingewanderten ‚farbigen Einwohner‘ Nordamerikas – die Grundlage dar, auf der die Musik der wilden 68er Jahre fußt und bis heute andauert.
Ich möchte an dieser Stelle übrigens noch mal in Erinnerung rufen, dass der fünf Alben umfassende Zyklus von Anfang an im LP-Format konzipiert und folglich auch analog aufgenommen und bewusst etwas ‚old school‘ abgemischt wurde.
musicampus: Gibt es einen roten Faden oder in welchem Zusammenhang stehen die Alben?
Bernd Rinser:
Evil, Wild & Blue: ballads & acoustic Folk & Blues
Die erste Seite des Albums ‚Evil, Wild & Blue‘ führt nach dem Opener ‚Walking The Streets at Night‘ mit dem kurzen instrumentalen Übergang mit ‚It Ain’t Me‘ hin zu ‚Sliver Spoon Song‘, um mit dem ganz reduziert arrangierten Titel ‚No More‘ zu enden. Für das durchlaufende Format der CD wurde als musikalische Überleitung das Instrumentalstück ‚To The Peregrines No.1‘ eingefügt.
Die zweite Seite des Albums ‚Evil, Wild & Blue‘ beginnt ganz archaisch mit den Titel ‚Famous Assholes‘. Ich wäre froh gewesen, wenn ich diesen Titel nicht hätte schreiben müssen!!!
Die anderen Titel der zweiten Seite bewegen sich zwischen akustischem Folk und Blues mit dezenter Begleitung.
Street Dog Blues: electric blues somehow & beyond
Die erste Seite dieses Albums steht unter dem Motto ‚groovig‘, die zweite Seite des Albums weicht bewusst ein wenig vom üblichen Schema ab. Wer seinen CD Player auf permanente Wiedergabe einstellt und mit dem sechsten Song ‚Luck‘ beginnt, bekommt auch einen musikalisch passenden Schuh. Im Rahmen der Idee des Zyklus und der Spielzeit einer LP-Seite habe ich diese Titel-Zusammenstellung gewählt.
Split Pea Shell: from New Orleans to the West Coast
Die erste Seite dieses Albums startet mit dem neu eingespielten Titel ‚Got You‘ irgendwo in der Gegend von New Orleans und endet musikalisch im Grenzland zwischen Texas und Mexiko. Auf dem Format der CD verbindet der Titel ‚Turn off The Tap‘ die beiden Seiten der LP.
‚Missin‘ One‘ eröffnet die zweite Seite der LP – in meinen Verständnis ein folkiger Song, der auch Hank Williams sen. hätte gefallen können – und führt über zwei Instrumental-Titel musikalisch an die West Coast.
musicampus: Werden die folgenden beiden CDs an die drei anknüpfen?
Bernd Rinser: Da es sich ja um einen Zyklus von insgesamt fünf Alben handelt, ist das natürlich so:
Many Roads To Travel (das vierte Album): gitarrenlastig mit teilweise viel Gebläse
Die erste Seite startet mit einem coolen Rocker und endet im Wüstenstaub. Auf der zweiten Seite rockt es dann … aber eher an den üblichen Klischees vorbei, die man landläufig als Bluesrock bezeichnet.
Love Divine (das fünfte Album):
Dieses Album wird durch die in großer Bandbesetzung eingespielten Songs ‚Evil, Wild & Blue‘ und ‚Walking The Streets at Night‘ eingerahmt. Die zweite elektrische Gitarre wird auf diesem Album vor allem als Rhythmus-Gitarre in Erscheinung treten und den anderen Instrumenten Platz machen.
musicampus: Du hast erklärt, dass die Alben für das LP-Format konzipiert sind. Für Interessierte ist es wichtig zu wissen, dass es die LPs/CDs im Handel gibt, aber ein Package aus LP und CD nur bei Dir im Online-Store gekauft werden kann?
Bernd Rinser: Ganz richtig! CDs und LPs gibt es als getrennte Produkte im Fachhandel. Das Kombi-Paket LP inkl. CD gibt es als Dreier-Paket nur in meinem Online-Shop. Aufgrund der nicht unerheblichen Versandkosten für den versicherten Versand aber eben nur als Dreier-Paket.
Bei meinen Konzerten kann man die Kombi LP inkl. CD auch einzeln kaufen.
musicampus: Danke für den informativen und zum Teil erstaunlichen Einblick in die aktuelle Produktion!
Foto: Heike Trautmann
Foto Cover: Klaus Lipa
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